Therapie der Migräne

Ziel der Akuttherapie ist es, die Migräneattacke möglichst schnell und vollständig zu beenden. Bei einer hohen Anzahl von Migräneattacken pro Monat kommt weiterhin die prophylaktische Therapie zum Einsatz. Diese soll langfristig die Häufigkeit und Intensität von Migräneanfällen reduzieren. Sowohl für die Akuttherapie als auch für die prophylaktische Therapie stehen medikamentöse und nicht-medikamentöse Mittel zur Verfügung.

Medikamente für die Akuttherapie

  • Schmerzmittel wie Nichtopioidanalgetika und nichtsteroidale Antiphlogistika (Aspirin, Paracetamol, Ibuprofen, Naproxen, Metamizol), die häufig eine Linderung erbringen, aber nicht immer wirksam sind. Opiate sollen für eine akute Migräneattacke nicht angewendet werden.
  • Triptane: Diese wirken spezifischer und damit etwas besser als die o.g. anderen Schmerzmittel, und zwar u.a. durch eine Verengung der Blutgefäße im und am Kopf. Neben vielen oralen Triptanen, die sich in ihrer Wirkschnelligkeit und Wirkdauer unterscheiden, gibt es auch als Nasenspray oder als Spritzen anzuwendende Triptane. Allerdings dürfen sie bei Menschen mit einer koronaren Herzkrankheit nicht angewendet werden.
  • Ergotamin: Dies ist ebenfalls in einer akuten Attacke wirksam, die Anwendung hat jedoch häufiger Nebenwirkungen und ist daher weniger geläufig.
  • Gegen begleitende Übelkeit können Substanzen wie Metoclopramid oder Domperidon eingesetzt werden. Diese können wenn notwendig zusammen mit den Akutmedikamenten eingesetzt werden.
  • Lasmiditan („Rayvow“): Es kann bei Kontraindikationen gegen Triptane eingesetzt werden, da es keinen gefäßeinengenden Effekt (Vasokonstriktion) verursacht. Allerdings ist es weniger effektiv als Triptane. Außerdem führt es u.a. zu Müdigkeit und anderen zentralen Nebenwirkungen, weshalb man nach der Einnahme für 8 Stunden kein Auto fahren darf.
  • Rimegepant: Dies ist ein neu entwickelter CGRP-Rezeptor-Antagonist, der in Deutschland zwar schon zugelassen, jedoch noch nicht verfügbar ist und theoretisch zur Anwendung kommt, wenn Analgetika oder Triptane nicht eingesetzt werden können oder nicht vertragen werden. Auch hier kommt es nicht zu einer Vasokonstriktion. Neben der Wirksamkeit im akuten Anfall wirkt dieser Medikamententyp auch in der Migräneprophylaxe.
  • Externe Stimulation des 5. Hirnnervs (Nervus Trigeminus) überhalb des Auges mit einem speziellen Stimulator („Cefaly“)
  • nicht-pharmakologische Maßnahmen wie Minzöl, Entspannung, Biopfeedback etc. Deren Wirksamkeit in der Akuttherapie ist bisher wissenschaftlich nur wenig untersucht worden. Auch Akupunktur ist als nichtmedikamentöses Verfahren wirksam in der Behandlung einer akuten Migräne. Der Effekt konnte in zwei wissenschaftlichen Studien belegt werden (DGN, 2017).

Migräne und Schwangerschaft

Während einer Schwangerschaft können leichte Migräneattacken erst einmal nichtmedikamentös durch Entspannungsverfahren, Reizabschirmung und lokale Kälteanwendung behandelt werden. Zur medikamentösen Therapie einer Migräneattacke können im 1. und 2. Trimenon in der nachfolgenden Reihenfolge Ibuprofen, Aspirin und notfalls Metamizol eingesetzt werden, letzteres aufgrund von Risiken für das Baby jedoch nicht im 3. Trimenon. Paracetamol sollte nur eingesetzt werden, wenn es keine anderen medikamentösen Möglichkeiten gibt, denn es ist bei schweren Attacken nicht wirksam, und außerdem weiß man mittlerweile, dass es zu neurologischen Entwicklungsstörungen beim Baby kommen kann. Triptane sollen in der Schwangerschaft sicher sein, wobei Sumatriptan am besten untersucht ist und daher bevorzugt eingesetzt werden sollte.

Bei begleitender Übelkeit kann die ganze Schwangerschaft hindurch Metoclopramid eingesetzt werden.
In der Stillzeit können bei einem Migräneanfall Aspirin und Ibuprofen eingesetzt werden, da sie nur in geringem Maß in die Muttermilch übergehen. Auch Sumatriptan und Eletriptan können eingenommen werden. Bei Übelkeit im Rahmen einer Migräneattacke sind Metoclopramid und Dimenhydrinat während der Stillzeit jedoch nicht empfohlen.

Zur Migräneprophylaxe während der Schwangerschaft siehe unten.

Wann kommt eine medikamentöse Migräneprophylaxe zum Einsatz?

Bei der Entscheidung für den Beginn einer medikamentösen Prophylaxe sind der individuelle Leidensdruck und die Einschränkung durch die Erkrankung entscheidend. Orientierend werden folgende Kriterien herangezogen:

  • mindestens 3 belastende und einschränkende Migräneattacken pro Monat,
  • Dauer der Migräne meist länger als 72 Stunden,
  • Keine Wirksamkeit der Akuttherapie oder Kontraindikationen / zu starke Nebenwirkungen der Triptane oder sonstiger Medikamente,
  • Einnahme von Migränemitteln an mehr als 10 Tagen im Monat,
  • bei „komplizierter Migräne“, d.h. langer Aura oder beeinträchtigenden neurologischen Ausfällen,
  • bei erlittenem migränösem Infarkt.

Ziel der Migräneprophylaxe ist eine Reduktion von Häufigkeit, Dauer und Intensität der Migränekopfschmerzen sowie die Vermeidung von Kopfschmerz bei Medikamentenübergebrauch. Als wirksam wird eine Senkung der Häufigkeit von 50% angesehen.

Verschiedene Medikamente, die ursprünglich gegen andere Erkrankungen eingesetzt werden, haben sich in der prophylaktischen Therapie der Migräne als wirksam erwiesen. Hierzu zählen:

  • verschiedene Betablocker (die auch den Puls und den Blutdruck senken) wie Propranolol, Bisoprolol und Metoprolol,
  • antiepileptisch wirksame Substanzen (Topiramat; als off label Therapie Valproat),
  • Antidepressiva (Amitriptylin), off label auch z.B Venlafaxin,
  • der Calcium-Antagonist Flunarizin, der auch gegen Schwindel wirkt,
  • CGRP-Antagonisten: Wenn alle vier oben genannten Substanzen erfolglos probiert wurden oder Kontraindikationen gegen eine Therapie bestehen, können Antikörper gegen das Molekül CGRP (Calcitonin gene related peptide) oder seinen Rezeptor eingesetzt werden. Im Einzelnen sind dies Fremanezumab („Ajovy“), Galcanezumab („Emgality“) oder Erenumab (CGRP-Rezeptor-Antikörper; „Aimovig“). Diese Substanzen werden alle 4 Wochen vom Patienten selbst unter die Haut (subkutan) gespritzt. Zusätzlich gibt es seit Anfang 2023 eine alle 3 Monate per Infusion über die Venen zu verabreichende Substanz (Eptinezumab, „Vyepti“), die nicht nur prophylaktisch wirkt, sondern in manchen Fällen zusätzlich eine sofortige Wirksamkeit hat.
  • Bei sehr häufigen Migräneattacken, also bei chronischer Migräne, kann das Nervengift Botulinumtoxin A an mehrere spezifische Stellen unter die Kopfhaut gespritzt wirken. Die Wirksamkeit dieser Therapie hält bis zu 3 Monate an.
  • Nicht-pharmakologische Verfahren sind Ausdauersport, aber auch andere Sportarten, Yoga, Entspannungstechniken, Biofeedback, Akupunktur, Änderung des Lifestyles und der Ernährung etc. Bezüglich der Ernährung soll eine zuckerarme, fettarme oder ketogene Diät in manchen Fällen effektiv sein. Auch Nahrungsergänzungsmittel wie Magnesium, Pestwurz, Coenzym Q10 und Riboflavin haben eine gewisse prophylaktische Wirksamkeit – die Studienlage hierzu ist jedoch dünn.

Die Dauer der medikamentösen Migräneprophylaxe soll 6 Monate (bei Flunarizin) bzw. 9-12 und maximal 24 Monate betragen, danach soll ein Absetzversuch unternommen werden. Laut nationalen Leitlinien soll die medikamentöse Therapie durch nichtmedikamentöse Verfahren ergänzt und im Verlauf, wenn möglich, ersetzt werden. Regelmäßiger Ausdauersport wird empfohlen. Bei hoher Attackenfrequenz und starken Einschränkungen der Lebensqualität sollte auch eine psychologische Schmerztherapie (kognitive Verhaltenstherapie, Edukation, Entspannungsverfahren, Stressmanagement, Achtsamkeit, Biofeedback) durchgeführt werden (DGN, 2022).

Neuromodulierende Verfahren zur Migränetherapie (DGN 2022)

Nach sorgfältiger Abwägung kann in einigen Fällen einer chronischen Migräne eine chronische Stimulation des N. occipitalis major (ONS) eingesetzt werden. Seit 2011 ist hierfür ein Neurostimulator zugelassen. Die Durchführung ist zur Zeit jedoch nur im Rahmen von Studien zu empfehlen. Weitere invasive Stimulationsverfahren (hochzervikale Rückenmarksstimulation, Stimulation des Ganglion sphenopalatinum, supra- und infraorbitale Nervenstimulation) sind speziellen Kopfschmerzzentren vorbehalten, hierzu fehlen größere Studien.

Auch nichtinvasiv kann eine Neurostimulation erfolgen, die dann an Ausläufern des N. vagus (z.B. über eine Ohrelektrode) oder des N. trigeminus erfolgt. Es gibt Verfahren mit repetitiver transkranieller Stimulation (rTMS) oder Stimulation über die Haut mittels TENS. Hierbei soll die kortikale Erregbarkeit und damit der Kopfschmerz v.a. bei Migräne mit Aura reduziert werden. Zu diesen Verfahren existieren bisher jedoch nur wenige Studien, so dass der Einsatz noch nicht empfohlen wird.

Migräneprophylaxe während der Schwangerschaft

Bei ca. zwei Dritteln der Schwangerschaften kommt es zu einem Rückgang der Attackenhäufigkeit, v.a. im 2. und 3. Trimenon. Wenn aber eine hohe Frequenz von Migräneanfällen fortbesteht und eine medikamentöse Therapie angewendet werden soll, kommen die Betablocker Metoprolol und Propranolol oder das Antidepressivum Amitriptylin in Frage. Topiramat hingegen soll unbedingt vermieden werden, da es zu einer gesundheitlichen Gefährdung des Feten kommen kann. Und für Flunarizin ist die Erfahrung zu gering.

Digitale Therapien bei Migräne: Apps und Telemedizin

Über spezielle Apps kann einerseits die Migränehäufigkeit und damit der Verlauf bzw. das Therapieansprechen zeitnah dokumentiert werden (z.B. über die „DMKG-App“, einem digitalen Kopfschmerzkalender). Außerdem kann so Wissen zur Erkrankung und über mögliche v.a. nichtmedikamentöse Therapieoptionen vermittelt werden, und Betroffene können sich sozial vernetzen. In Deutschland werden u.a. die „Migräne-App“ und „M-Sense“ genutzt. „M-Sense“ kann zu Lasten der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung verordnet werden und kombiniert ein interaktives Kopfschmerztagebuch mit nichtmedikamentösen Therapieoptionen (Entspannung, Ausdauersport, Patientenedukation, körperliche Übungen). Andere aktuell verfügbare Apps sind „Headache hurts“, „Migraine Buddy“, „N1-Kopfschmerz“, „Manage my Pain Pro“ und „Kopfschmerztagebuch“. Die seit 2021 nutzbare App „Sin Cephalea“, die ebenfalls verschreibungsfähig ist, fokussiert sich auf Ernährungsmaßnahmen zur Reduktion von Blutzuckerschwankungen und dadurch Vermeidung von Migräneattacken.

Sonderform medikamenten-induzierter Kopfschmerz

Dies beschreibt einen chronischen, d.h. mindesten 15 Tage pro Monat auftretenden Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln (an 10–15 Tagen pro Monat, seit mindestens 3 Monaten). Laut DGN kann der Übergebrauch jeglicher Kopfschmerzmittel (Analgetika, Ergotamin, Triptane, Benzodiazepine, Opioide, Barbiturate) zur Entwicklung eines Kopfschmerzes führen. Betroffene Patienten entwickeln meist einen diffusen holokraniellen, dumpf drückenden Kopfschmerz ohne vegetative Begleiterscheinungen. Migränepatienten mit Triptanübergebrauch entwickeln häufig zunächst eine Zunahme der Migränefrequenz und später einen pulsierenden klopfenden Kopfschmerz, teilweise in Verbindung mit Übelkeit. Die für die Entwicklung des Kopfschmerzes bei Medikamentenübergebrauch kritische Einnahmedauer und -frequenz sind am kürzesten und niedrigsten für Triptane und Mutterkornalkaloide und länger und höher für Analgetika (Evers et al. 1999, Limmroth et al. 2002, in DGN 2012). Therapeutisch muss ein Medikamentenentzug erfolgen. Überbrückend müssen meist andere Medikamente, teilweise auch Cortison, eingesetzt werden. Ein stationärer Krankenhausaufenthalt kann sinnvoll sein.

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