Virusmutationen und ihre Bedeutung

Bei der ständigen Vervielfältigung des Coronavirus durch die RNA-Polymerase treten ab und an Fehler auf, so dass sich das Genom leicht verändert, es mutiert. Das passiert häufiger, je mehr Viren es weltweit gibt. Angesichts der hohen weltweiten Fallzahlen sind Mutationen daher relativ häufig. Bisher sind etliche Hauptgruppen („Kladen“) und damit über 1.000 verschiedene Viruslinien („Varianten“) bekannt. Bei einer vollständigen Analyse des gesamten Genoms des Virus („Sequenzierung“) kann jeweils die genaue genetische Art in einem Nomenklatursystem bezeichnet werden. Einige Mutationen können regional gehäuft auftreten, z.B. wenn die Region wenig Kontakt zum Rest der Welt hat. Ansteckendere Varianten können sich auch weltweit ausbreiten und andere Virustypen verdrängen.

Mutationen können außerdem zu neuen Viruseigenschaften führen. Wenn sich zum Beispiel das Spike-Protein an der Oberfläche des Virus, über das der Eintritt in die (Wirts-) Zelle des Menschen ermöglicht wird, verändert, kann es dadurch zu einer gesteigerten Infektiosität kommen. Das Spike-Protein ist darüber hinaus auch der Angriffsort der menschlichen Antikörper, die das Virus neutralisieren, also protektiv wirken sollen. Wenn durch Mutationen diejenigen Stellen des Virus verändert werden, an denen die menschlichen Antikörper andocken (die Epitope), kann hierdurch die Abwehrleistung des Körpers beeinträchtigt werden.

Das Sars-CoV-2-Virus hat sich seit dem ersten Auftreten schon vielfach gewandelt. So hatte eine erstmals im Frühjahr 2020 aufgetretene Virusvariante (614G-Genotyp), die aufgrund einer Veränderung des Spike-Proteins infektiöser war als der Ursprungstyp (D614-Genotyp), diesen bereits abgelöst.
In Deutschland herrschte im Frühjahr 2021 die Alpha-Variante (ursprünglich „britische Variante“) vor, ab Anfang September 2021 breitete sich die weitaus ansteckendere Delta-Variante in weiten Teilen der Welt dominant aus. Seit November 2021 ist durch mehrere Mutationen am Spike-Protein die noch viel infektiösere Omikron-Variante in rasend schneller Ausbreitungsgeschwindigkeit auf dem Weg, die weltweit führende Virusvariante zu werden.

Die internationalen Gesundheitsbehörden und auch das Robert-Koch-Institut (RKI) beobachten die Ausbreitung der bekannten und neuer SARS-CoV2-Subtypen. Neue Typen werden als „besorgniserregend“ (Variants of Concern, VOC) oder als „Varianten unter Beobachtung“ (Variants of Note, VON) überwacht, ihr weltweites Auftreten kann auf der Seite http://cov-lineages.org/index.html abgerufen werden.

Die bisherigen Hauptvarianten sind nach dem griechischen Alphabet benannt und wurden aufgrund verschiedener Mechanismen infektiöser und virulenter, wie im Folgenden beschrieben.

  • Die Alpha-Variante (ursprünglich „britische“ Variante B1.1.7) weist 23 Genveränderungen (Polymorphismen) auf, die vor allem Veränderungen des Spike-Proteins betreffen. Diese Variante ist um rund 50% infektiöser und auch gefährlicher als der ursprüngliche Virusstamm. Die bisher verfügbaren Impfungen sind auch gegen diese Variante wirksam, und eine überstandene Infektion mit dem Virus sorgt für eine gewisse Zeit für Immunität.
  • Die Beta-Variante (ursprünglich „südafrikanische“ Variante B.1.351) zeigt neun Aminosäureveränderungen, von denen acht das Spike-Protein betreffen. Ein Teil der Veränderungen entspricht denen der B1.1.7-Mutation; es sind allerdings noch andere Veränderungen des Spike-Proteins vorhanden, die eine Resistenz gegenüber bestimmten Antikörpern mit sich bringen. Dies bewirkt die höhere Infektiosität. Außerdem sind die bisherigen Impfstoffe weniger effektiv und Genesene weniger immun gegen diese Mutation, weil die gebildeten neutralisierenden Antikörper weniger stark wirken. Dieser Mechanismus wird als „immune escape“ des Virus bezeichnet.
  • Die Gamma-Variante (ursprünglich „brasilianische“ Variante P.1) weist ebenfalls einige Veränderungen am Spike-Protein auf, die teilweise denjenigen der Beta-Mutante entsprechen. Bei dieser Variante besteht eine verstärkte Bindung an das ACE2-Rezeptorprotein, wodurch das Virus leichter in die menschliche Zelle eindringen kann. Hier kann es ebenfalls zu einem „immun escape“ des Virus und somit zu einer verminderten Effektivität der aktuell vorhandenen Impfstoffe. Dennoch schützen die in Deutschland genutzten Impfstoffe immer noch gut gegen einen schweren Verlauf einer Infektion.
  • Die Delta-Variante (im Oktober 2020 erstmals in Indien nachgewiesen, Bezeichnung B.1.617.2) weist Mutationen auf, die eine reduzierte Immunantwort beim Menschen mit sich bringen und einen gegenüber der Alpha-Variante leicht verringerten Schutz durch eine Impfung bewirken, was sich in der Praxis aber fast nur bei unvollständiger Impfung manifestiert hat. Dieser Virustyp war bis Dezember 2021 in großen Teilen Europas vorherrschend, weshalb er nicht mehr als Variante angesehen wurde.
  • Die Omikron-Variante (B.1.1.529) wurde erstmals Ende November 2021 in Südafrika identifiziert. Sie zeigt eine hohe Anzahl von Veränderungen am Spike-Protein (30 Aminosäureveränderungen), die zu erhöhter Übertragbarkeit, Ansteckung und vermindertem Schutz der verfügbaren Impfstoffe führt. Seit Mitte Januar 2022 ist sie in vielen Ländern bereits die häufigste Virusvariante. An einer Anpassung der Impfstoffe an die aktuelle Omikron-Virusvariante wird intensiv geforscht, die Produktion könnte ab März 2022 beginnen.