Stress

Was ist Stress?

Stress ist in unserem Leben allgegenwärtig. Wir sprechen von Stress, wenn wir vieles gleichzeitig erledigen sollen, wenn die Zeit knapp wird, wenn wir angespannt sind oder Anforderungen über unseren Kopf hinauswachsen. Für die Menschen der modernen Zivilisation ist Stress der Ausdruck für eine subjektive Belastung durch schädliche Reize oder komplexe Aufgaben in begrenzter Zeit.

Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Definition von Stress viel allgemeiner: Danach ist Stress eine Belastung, die auf ein lebendiges System einwirkt und eine Störung des ursprünglichen Zustands bewirkt. Rein physiologisch kommt es hierbei zu verschiedenen Phasen der Anpassung auf diesen äußeren Reiz: Die unmittelbare Reaktion wird als Alarmreaktion bezeichnet, während der eine sofortige Erhöhung der Herz-Kreislauf-Funktion und des Energiehaushalts einsetzt. Diese wird durch eine Aktivierung des sympathischen Nervensystems und eine Erhöhung energiemobilisierender Hormone gewährleistet. Bei nicht übermäßigem Stress kommt es zu einer Anpassung des Organismus auf etwas höherem Niveau: Der ausgeglichene Zustand, die Homöostase, wird wieder hergestellt.

Muss Stress immer negativ sein?

Wir Menschen reagieren auf eine äußere Belastung (den Stressor) durch Anpassung von verschiedenen Körpervorgängen. Durch diese Anpassungsvorgänge erhöht sich also das allgemeine Niveau der Körpervorgänge, das gesamte System wird gestärkt. Dieser Stress gilt als positiver Stress, als „Eustress“, weil der Körper nicht geschädigt, sondern gestärkt daraus hervorgeht.
Problematisch wird es bei zu intensivem akutem Stress, zu langer Dauer und/oder zusätzlichen psychischen Faktoren. Dann können Anpassungen nicht angemessen erfolgen, das System wird überfordert und es kommt zu einer Schädigung von körperlichen und psychischen Faktoren. Das nennt man „Distress“, negativen Stress.

Exkurs: die Neurobiologie der akuten Stressreaktion
Die Anpassung an Stressoren beim Menschen ist sehr komplex, noch längst nicht alle Mechanismen sind verstanden. Wichtige Regelkreise spielen sich zwischen Hirnstamm und peripheren Organen ab. Wird irgendeine Art von äußerer Belastung durch die Sinnesorgane wahrgenommen, wird diese über Nervenfasern sofort zum sensorischen Thalamus geleitet und dort weiterverarbeitet, unter anderem auch zum Mandelkern, dem Alarm- und Bedrohungszentrum, wo eine blitzschnelle Bewertung der Gefahrensituation stattfindet. (Mehr dazu unter dem Absatz psychischer Stress.)

Das vegetative Nervensystem wird aktiviert, so dass der Körper in erhöhte Kampf- oder Fluchtbereitschaft versetzt wird. Etwas später wird über den Hypothalamus auch die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) stimuliert und hierüber die Nebenniere, die Stresshormone ausschüttet: Noradrenalin und Adrenalin („Katecholamine“) kommen aus dem Nebennierenmark und Kortisol aus der Nebennierenrinde. Diese Botenstoffe bewirken Anpassungen der Körperfunktionen: Erhöhung des Herzschlags und der Atemfrequenz, Steigerung des Blutdrucks, verstärkte Durchblutung von Muskulatur und Gehirn (auf Kosten des Verdauungssystems), Schweißsekretion, Bereitstellung von Energiereserven (Glukose, freie Fettsäuren und Aminosäuren) und Unterdrückung des Schmerzempfindens. Auch die Aufmerksamkeit und Lernleistung werden gesteigert. All diese Körperveränderungen geschehen, um den entwicklungsgeschichtlich sehr alten Verhaltensmöglichkeiten Kampf oder Flucht („Fight-or-Flight“) nachkommen zu können. Ein Großteil dieser physiologischen Anpassungsprozesse geschieht ohne Kontrolle durch unser Bewusstsein, sondern direkt reflektorisch durch die Reaktionen des Hypothalamus. All diese Funktionsveränderungen werden als Alarmreaktion, als die erste Phase im Anpassungssystem von Mensch und Tier, bezeichnet.

Eine Phase der erfolgreichen Anpassung an die äußeren Reize beginnt, die „Widerstandsphase“. Hier kann der Körper durch erhöhte Hormonproduktion und damit Anpassung der Organfunktionen ein neues Gleichgewicht zwischen Belastung und angemessener körperlicher Reaktion herstellen. Bis zu einer gewissen Reiz-, bzw. Stressintensität gelingt die Anpassung, der Körper geht gestärkt daraus hervor.
Überschreiten die äußeren Anforderungen die Kapazitäten, die der Körper bereitstellen kann, kommt es zu einer Überforderung, einer Erschöpfung. Die Nebennierenrinde kann den Anforderungen nicht mehr nachkommen, ihre Funktion nimmt ab, und auch das Immunsystem bricht zusammen. Dies wird als Erschöpfungsphase bezeichnet.