Stress – die Neurobiologie

Exkurs: die Neurobiologie der akuten Stressreaktion

Beim Menschen ist die Anpassung an Stressoren ein komplexer Vorgang, und noch längst nicht alle Mechanismen sind verstanden. Wichtige Regelkreise spielen sich zwischen Hirnstamm und peripheren Organen ab. Wird irgendeine Art von äußerer Belastung durch die Sinnesorgane wahrgenommen, wird diese über Nervenfasern sofort zum sensorischen Thalamus geleitet und dort weiterverarbeitet, unter anderem auch zum Mandelkern, dem Alarm- und Bedrohungszentrum, wo eine blitzschnelle Bewertung der Gefahrensituation stattfindet. (Mehr dazu unter dem Absatz psychischer Stress.)

Das vegetative Nervensystem wird aktiviert, so dass der Körper in erhöhte Kampf- oder Fluchtbereitschaft versetzt wird. Etwas später wird über den Hypothalamus auch die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) stimuliert und hierüber die Nebenniere, die Stresshormone ausschüttet: Noradrenalin und Adrenalin („Katecholamine“) kommen aus dem Nebennierenmark und Kortisol aus der Nebennierenrinde. Diese Botenstoffe bewirken Anpassungen der Körperfunktionen: Erhöhung des Herzschlags und der Atemfrequenz, Steigerung des Blutdrucks, verstärkte Durchblutung von Muskulatur und Gehirn (auf Kosten des Verdauungssystems), Schweißsekretion, Bereitstellung von Energiereserven (Glukose, freie Fettsäuren und Aminosäuren) und Unterdrückung des Schmerzempfindens. Auch die Aufmerksamkeit und Lernleistung werden gesteigert. All diese Körperveränderungen geschehen, um den entwicklungsgeschichtlich sehr alten Verhaltensmöglichkeiten Kampf oder Flucht („Fight-or-Flight“) nachkommen zu können. Ein Großteil dieser physiologischen Anpassungsprozesse geschieht ohne Kontrolle durch unser Bewusstsein, sondern direkt reflektorisch durch die Reaktionen des Hypothalamus. All diese Funktionsveränderungen werden als „Alarmreaktion“, als die erste Phase im Anpassungssystem von Mensch und Tier, bezeichnet.

Die Phase der erfolgreichen Anpassung an die äußeren Reize wird als „Widerstandsphase“ bezeichnet. Hier kann der Körper durch erhöhte Hormonproduktion und die damit einhergehende Anpassung der Organfunktionen ein neues Gleichgewicht zwischen Belastung und angemessener körperlicher Reaktion herstellen. Bis zu einer gewissen Reiz- bzw. Stressintensität gelingt die Anpassung, der Körper geht gestärkt daraus hervor.

Überschreiten die äußeren Anforderungen die Kapazitäten, die der Körper bereitstellen kann, kommt es zu einer Überforderung, einer Erschöpfung. Die Nebennierenrinde kann den Anforderungen nicht mehr nachkommen, ihre Funktion nimmt ab, und auch das Immunsystem bricht zusammen. Dies wird als Erschöpfungsphase bezeichnet.

Psychischer Stress