Resilienz (Widerstandsfähigkeit)
Entscheidend für das Verständnis, wann Menschen „souverän“ auf Stress reagieren, und wann sie körperlich und psychisch scheitern, ist die individuelle Resilienz. Resilienz bezeichnet die Gesamtheit aller Einflussfaktoren, welche die Widerstandsfähigkeit eines Individuums gegen Belastungen erhöhen. Eine gleichartige Belastung kann also bei einem Individuum ganz andere psychische und physische Auswirkungen haben als bei einem anderen.
Die Wissenschaft hat bereits zahlreiche resilienzfördernden Faktoren gefunden. Viele finden sich in der Persönlichkeit des Menschen selbst, wie kognitive Flexibilität, gute Stresserholung, Bedürfnisaufschiebung, Humor, positives Selbstwertgefühl, Optimismus, Grundvertrauen, überdauernde Werte etc.. Auch physische Parameter wie körperliche Fitness und ausgewogene Ernährung tragen dazu bei.
Auf der sozialen Ebene können ein unterstützendes Elternhaus, sozioökonomische Absicherung, stabile Beziehungen, soziale Integration usw. genannt werden. Weiterhin sind auch gesellschaftliche bzw. kulturelle Faktoren mitentscheidend, z.B. ein gutes Bildungs- und Gesundheitssystem und eine sinnvolle Tätigkeit. Je ausgeprägter und stabiler diese Faktoren vorhanden sind, desto ausgeglichener und niedriger fällt die individuelle Stressreaktion aus.
Folgen zu niedriger Resilienz
Körperlicher oder psychischer Stress kann zu psychischen Folgeerkrankungen führen. Am häufigsten tritt eine Depression auf. Bei bis zu 80% der Menschen mit Depressionen hat im Vorfeld ein Stressereignis (z.B. ein kindliches Trauma) stattgefunden. Man vermutet, dass durch den einwirkenden Stress eine Hyperaktivität der physiologischen Stressreaktion durch Überaktivierung der Stressachse (Hypothalamus-Hypophyse-Nebennierenrinde) erfolgt. Der Hyperkortisolismus bewirkt die schon besprochenen Auswirkungen auf Körperfunktionen und Gehirnstrukturen sowie psychische bzw. psychiatrische Folgeerscheinungen (Schlafstörungen, Depression, Angststörung, Burnout). Denn man nimmt an, dass diese Hyperaktivität den Körper empfindlicher auf alle Stressoren reagieren lässt, so dass im Verlauf eine Depression viel wahrscheinlicher wird. Auch Veränderungen in der Hirnstruktur (Mandelkerne, Hippocampus) treten auf, die als Langzeitfolge des erhöhten Kortisolspiegels anzusehen sind und wiederum die Hyperaktivität der Stressachse aufrechterhalten.
Stress kann allerdings auch soweit führen, dass die Stressachse sich erschöpft – dann kann das Stresssystem gar nicht mehr aktiv reagieren, das gesamte vegetative Nervensystem gerät aus der Balance. Oft findet man diese Befunde bei einem „Burnout“-Syndrom – der Folge einer chronisch zu hohen Arbeitsbelastung und kräftezehrenden Auseinandersetzungen mit anderen Menschen. Die Symptome hierbei sind eher emotionale Erschöpfung, ein Entfremdungsgefühl von der eigenen Person und eine reduzierte (subjektive) Leistungsfähigkeit, häufig auch Müdigkeit, Gleichgültigkeit, Schlafstörungen und Verlust des Selbstwertgefühls. Besonders gefährdet sind Menschen, die beruflich überengagiert sind, dabei aber kaum Gestaltungsmöglichkeiten und wenig Feedback bekommen.