Tinnitus

Als Tinnitus bezeichnet man ein ständig vorhandenes Geräusch in einem oder beiden Ohren, das als Pfeifen, Rauschen oder Summen wahrgenommen wird. Die Intensität kann schwanken; typisch ist eine verstärkte Beeinträchtigung in den Abendstunden.

Mit ca. drei Millionen Betroffenen in Deutschland ist der Tinnitus ein häufiges Phänomen, das für den Leittragenden sehr belastend sein kann. In den meisten Fällen besteht keine zugrunde liegende organische Erkrankung. Dennoch ist eine umfassende Abklärung sinnvoll, um neurologische und Hals-Nasen-Ohren-ärztliche Krankheiten zu erkennen.

Innerhalb des Gehirns können Gefäßanomalien, Raumforderungen oder ein erhöhter intrakranieller Druck zum Auftreten eines Tinnitus führen. Diese liegen aber nur in 1% der Fälle vor und treten meist zusammen mit anderen neurologischen Symptomen auf. Viel häufiger sind zugrunde liegende Erkrankungen der Ohren. Ein vermindertes Hörvermögen nach Hörstürzen oder Ohrenentzündungen oder durch Altersschwerhörigkeit lässt sich in vielen Fällen objektivieren. Auch die Ohrenerkrankung Morbus Menière kann im Verlauf mit einem Tinnitus einhergehen. Daher ist eine HNO-ärztliche Untersuchung stets sinnvoll; die neurologische Abklärung folgt in der Regel anschließend.

Pathophysiologisch liegt in den Zentren des Gehirns, die für die Hörverarbeitung verantwortlich sind, ein Ungleichgewicht zwischen hemmenden und erregenden Prozessen vor, so dass eine gesteigerte Aktivität von Nervenzellen besteht. Dies suggeriert eine Hörwahrnehmung ohne echte Schallquelle.
Erhöhter beruflicher oder privater Stress und andere psychische Belastungsfaktoren können zur Auslösung oder zur Verstärkung eines Tinnitus führen. Diese Faktoren müssen bei der Diagnostik berücksichtigt werden, und ihre Behandlung ist die wichtigste Grundlage für den Erfolg der Therapie.
Verschiedene Therapien können eingesetzt werden. Essentiell ist zunächst die Verminderung der psychischen Stressoren. Manchmal gelingt dies schon durch Entspannungstechniken oder sportliche Aktivität, teilweise müssen aber auch Veränderungen der beruflichen oder privaten Situation erfolgen. Eine Psychotherapie kann hierbei unterstützend wirken. Ausgewogene Ernährung und guter Schlaf sind ebenfalls wichtige Pfeiler in der Behandlung.

Eine spezifische medikamentöse Behandlung des Tinnitus gibt es nicht, aber im Anfangsstadium, also in den ersten 4 Wochen, kann eine Therapie mit Cortison in manchen Fällen erfolgreich sein. Durchblutungsfördernde Medikamente werden teilweise begleitend dazu eingesetzt (Trental, Gingko), ihre Wirksamkeit ist aber nicht bewiesen. Die pharmakologische Behandlung begleitender psychischer Störungen oder anderer Grunderkrankungen kann die Symptome bessern. Auch Akupunktur ist möglich und kann sehr wirksam sein.

Neben diesen Behandlungsansätzen ist die wichtigste und effektivste Therapie des Tinnitus die sogenannte Tinnitus-Retrainingstherapie, bei der sogenannte Tinnitus-Noiser eingesetzt werden. Dies sind Geräte, die wie Hörgeräte im Ohr getragen werden, manchmal auch kombiniert mit einer hörverstärkenden Leistung, wenn eine Hörschwäche zugrunde liegt. Diese Geräte generieren ein Rauschen in einer speziellen Frequenz, wodurch der bestehende Tinnitus überlagert wird. Während einer Therapiezeit von ein bis zwei Jahren kann hiermit häufig eine deutliche Beschwerdebesserung und in seltenen Fällen auch eine Beschwerdefreiheit erreicht werden. Denn das Gehirn lernt, den Fokus weg vom eigenen Geräusch auf das deutlich angenehmere Rauschen zu lenken. Damit wird das Tinnitusgedächtnis zurücktrainiert.

Zusätzlich können bei spezialisierten Hörgeräteakustikern Hörtrainings durchgeführt werden, die ebenfalls einen positiven Effekt haben können. Für diesen Zweck existieren auch schon Apps, „die Tinnitracks“ genannt werden. Diese werden von manchen HNO-Ärzten in Zusammenarbeit mit den Krankenkassen angeboten.